interview mit vollgas richtung rock

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vor ein paar tagen hab ich dem szenemagazin vollgas richtung rock ein ausführliches interview gegeben, das keine fragen offen lässt und das einen ausblick darauf gibt, was man von einem bengelgespräch erwarten darf. die antworten reichen inhaltlich für zehn interviews, weswegen meine aussagen dort stark gekürzt und aus dem kontext gerissen wurden. was aber kein problem ist, denn hier gibts das schonungslose original in voller länge. ihr erfahrt hier vieles, was ihr schon immer wissen wolltet, vieles, was ihr niemals wissen wolltet und manches, was vielleicht gar nicht so ist. viel spaß.

vielen dank an jörg hentzgen von „vollgas richtung rock“ für die zeit und die fragen.

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//Jörg Hentzgen

VRR: Ehrlich. Ich weiß fast gar nix über Dich. Wie ist dein bürgerlicher Name? Wie alt bist Du? Gibt es noch etwas über Dich zu erzählen, außer, dass Du Musiker bist? Dein Beruf?

BB: Moin. Danke für die Einladung. Der blonde Bengel heißt so ganz in echt Phil. Eigentlich sollte niemand wissen, dass ich erst 22 bin, aber gut, jetz isses raus. Zu erzählen gäbe es nächtelang, aber das heb ich mir für später auf. Berufe hab ich auch. Mein letzter Job als Ingenieur war mir auf Dauer zu langweilig, deswegen hab ich den erst mal gegen Gitarre, Bier und Mädchen eingetauscht. („Karohemd und Samenstau, er studiert Maschinenbau“)

VRR: Im Grunde genommen machst Du und hast Du, für das Album alles alleine auf die Beine gestellt. Langeweile? Wäre es als Band nicht einfacher? Was waren Deine Beweggründe diesen Weg zu gehen?

BB: Ja, Langeweile, ich hatte ja meinen Job gekündigt. Im Ernst, Blonder Bengel ist halt ne absolute Herzensangelegenheit. Das ganze geschieht einfach aus der Überzeugung heraus, dass du das tun musst, wofür du brennst. Klar, vielleicht wäre es als klassische Band „einfacher“, das stand aber ab nem gewissen Punkt überhaupt nicht mehr zur Disposition. Das sind im Endeffekt auch immer nur Kompromisse, weil die Wahrscheinlichkeit, Leute zu finden, die so über Musik denken und in die gleiche Richtung gehen wollen wie du, einfach sehr gering ist. Irgendwann kommst du zu der Erkenntnis, dass du es selbst machen musst, wenn es richtig werden soll. Manche da draußen ham zwar wirklich was drauf, doch Leidensfähigkeit und Durchhaltevermögen tendieren oft gen Null. Da stirbt dann zwölf mal im Jahr die Oma und 27 mal hat die Katze Husten und abends um 8 müssen sie zuhause sein, sonst gibt’s von der Freundin oder Frau auf den Sack. Bevor du dich auf sowas einlässt, bring dir den Scheiss lieber selbst bei. Das Ganze hat außerdem noch den positiven Nebeneffekt, dass mir niemand widersprechen kann und dass ich alles was ich mache, nur vor mir selbst vertreten muss. Ich muss mich nicht verstellen, denn Blonder Bengel bin ich selbst.

VRR: Jetzt ehrlich, Du hast doch vorher schon in einer Band gespielt oder warst musikalisch schon reichlich unterwegs. Erzähl bitte etwas über deine musikalische Geschichte.

BB: Sicher, da gab es vier, fünf Bands, die ich meistens auch mit gegründet hab und in denen ich dann entweder Gitarre oder Bass gespielt hab, aber summa summarum war da nix wirklich nennenswertes dabei. Das waren im Großen und Ganzen Coverbands, in denen wir das coole Zeug nachgespielt haben, das sonst keiner hören wollte. 70er Punk, Deutschrock, Pop Punk, Classic und Hard Rock. Dementsprechend ham wir meistens in Kellern, in Gärten und auf Bauwägen gespielt, während die x-beliebigen seelenlosen Top-40-Muschitruppen zusammen mit Mutti und mit roter Pappnase zu Summer of 69 im Kirmeszelt abgeräumt haben. Wir konnten meistens nicht all zu viel, aber wir hatten Stil und Spaß und der Alkohol und die Freundschaft standen an erster Stelle.

VRR: Sind Die Lieder aus dem Album alles selbst erfahrene Geschichten? Ganz direkt, “Trennungskinder” fällt da sofort auf.

BB: Blonder Bengel schreibt und singt grundsätzlich von den realen, echten Dingen die geschehen, vom hier und jetzt, von den greifbaren Erlebnissen, von den schönen, aufregenden und schwierigen Sachen im Leben. Ja, die Lieder sind oftmals sehr persönlich.

VRR: Viele Lieder handeln von zwischenmenschlichen Beziehungen. Ein wichtiges Thema für Dich? Oder viele schlechte oder besondere Erfahrungen gemacht? Es sind 7 Titel die direkt darauf abzielen, richtig?

BB: Da muss ich grad mal nen Blick auf die Tracklist werfen. 7? Könnten auch 8 oder 9 sein, je nach Interpretation. Oder auch 5 oder 6, da gibt es ja verschiedenste Kategorisierungen und Ausprägungen. Im Endeffekt ist doch das ganze Leben zwischenmenschlich und diese Dinge sind es, die das Leben lebenswert machen.

VRR: Blonder Bengel. Wie kam es zu diesem Namen?

BB: Endlich, die Klassikerfrage. Also, … es war einmal ein…, nein. Der Name stammt von Bernd Schuster, Fußballer in den Achtzigern u. a. beim 1. FC Köln, dem man diesen Spitznamen verpasste. Ein Freigeist und Einzelgänger, ein kompromissloser Individualist, einer, der alles mitbrachte, unter anderem auch viele Probleme. Einer, der niemals im Gleichschritt marschierte. Das und nur das musste es sein.

VRR: Hast Du ein Problem mit Studentinnen?

BB: Nein, warum? Ganz im Gegenteil. Manche dürfen sogar zum Frühstück bleiben.

VRR: Was genau bedeutet das Statement von Deiner Webseite. “Berge von unten, Kirchen von außen, Kneipen von innen”? Bist Du kein “Kulturmensch” oder brauchst Du das nicht?

BB: Ein griffiger, dummer Spruch mitten ausm Leben, der den Bengel und sein Schaffen nicht besser beschreiben könnte. Mit fehlendem Interesse an Kultur hat das gar nix zu tun. Okay, Kirchen brauch ich wirklich nicht. Deren Studentinnen sind mir dann doch zu jung und die Musik gefällt mir auch nicht.

VRR: Du sagst Power Pop zu Deiner Musik. Bleibst Du dabei?

BB: Ich bleib dabei, aber das steht jedem frei. Deine und Eure Einordnungen lass ich auch gelten? Power Pop beschreibt für meinen Geschmack ziemlich gut die musikalische Idee und die Attitüde, die dahintersteckt. Die Sachen sind auf der einen Seite zu melodiös und ausgefeilt für den typischen 0815-wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Deutschrockabklatsch und auf der anderen Seite zu rau und intensiv für den gängigen Radio-Waschlappendeutschpop. Wenn man so will, liegt der Bengel auf halber Länge zwischen Frei.Wild und Tim Bendzko. Aua…

VRR: Das Album klingt, für ein Debüt, sehr ausgereift. Du schreibst, dass Du zum Teil 3 Jahre für die Songs gebraucht hast. Keine halben Sachen? Da braucht es Geduld und Nerven. Gab es Situationen wo Du alles hinschmeißen würdest?

BB: Ohh, jemand, der das Booklet liest. Ja, die erste Demo die zugleich auch erste Single wurde („Nur Wegen Dir“) entstand ca. drei Jahre vor Albumrelease. Natürlich ist das erste Kind auch immer das schwerste und der gesamte Prozess war extrem lernintensiv. Mach mal so n Album von jetzt auf gleich. Die Lieder wurden zusammen mit Nick (Schlagzeug, Mix, Master) zigfach verfeinert und umgeworfen. Da braucht es Geduld, Nerven, ein paar Lkw-Ladungen Bier und ein Maß an Leidensfähigkeit, das der Großteil der Menschen heute gar nicht mehr aufbringen kann. Ohne Leidenschaft geht gar nix. Ohne Leidenschaft kannst du das ganze Projekt Blonder Bengel in die Tonne treten.

VRR: Wenn ich in Fulda unterwegs wäre, wo würde ich Dich treffen

BB: Möglicherweise in irgendner Kneipe, falls ich da nicht gerade Hausverbot hätte. Derzeit aber wahrscheinlich meistens in Fuldas bekanntester Privatkneipe, dem Bengelparadies. Ansonsten ist Fulda kulturell gesehn Niemandsland. Hier gibts ein paar Mainstreamläden die die übliche dämliche Affenmusik spielen und immerhin ein paar urige Kneipen, in denen es sich gut aushalten lässt. Aber nur bis 3 Uhr, denn der Fuldaer muss am nächsten Morgen Auto waschen und Hof kehren.

VRR: Hast Du Live Auftritte geplant? Aber das wird schwierig, oder?

BB: In jedem Fall. Die Songs sind eigentlich mal geschrieben worden, um live gespielt zu werden. Zur Live-Besetzung wird sich neben dem festen Drummer Nick noch ein fähiger Gitarrenmann und ein Basser dazugesellen, womit die Truppe komplett wäre. Laut Karl Lauterbach ist Corona allerdings ja ein Thema, das uns noch die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird, demnach wird es schwierig, ja. Die Frage ist ja auch, ob es bis dahin noch irgendwelche Livelokalitäten geben wird und ob man handgemachte Livemusik überhaupt noch braucht. Vielleicht gibt sich der Deutsche ja auch weiterhin mit Netficks, Chips und Social Media zufrieden.

VRR: Was feierst Du auf Deiner privaten Playlist?

BB: Mindestens mein halbes Leben besteht aus Musik, dementsprechend wird das jetzt schwierig. Playlisten hab ich keine, ich musste mir zur Bengel-Geburtsstunde tatsächlich erst mal nen verbrecherischen Spotify-Account zulegen. Ich fang mal mit den deutschsprachigen Bands und Interpreten an, die den Bengel wahrscheinlich am meisten inspiriert haben und auch weiterhin inspirieren: Onkelz (die alten, vor der Reunion), Weidner, Nationalgalerie und Niels Frevert, Vogelfrei aus Torgau, Wilde Jungs und vielleicht ein bisschen die Ärzte. Auch der Rio und der Herbert (der alte) haben richtig gute Dinger, die alten Krawallbrüder auch, Kärbholz und Stomper haben gute Sachen und auf der ersten Wir Sind Helden sind die unbekannten Nummern wie so oft die besten. Das nenn ich mal ne kontrastreiche Aufzählung, hat sich das schon mal jemand getraut? Ehrlich, ansonsten nehm ich jetzt die Abkürzung über die Genres, sonst artet das aus. Wer Ahnung von Musik hat, der kapiert das: 60s beat, 60s garage/blues/folk rock, 70s classic/glam/hard rock, später 70s punk/new wave, 80s „power pop“/college rock/indie pop, 80s arena rock/AOR, 90s hard rock/alternative, 90s britpop, 90s US emo, 90s/00s pop punk/college. Alles aus den letzten grob zehn Jahren ist – natürlich mit Ausnahme von Blonder Bengel – scheisse oder mir unbekannt. Amen.

VRR: Was können wir von Blonder Bengel in naher Zukunft noch erwarten?

BB: Nach den Songs vom bald erscheinenden Debütalbum sind einige weitere Demos entstanden, die nun schon längere Zeit reifen und die „nur“ noch entsprechend finalisiert und produziert werden müssen. Möglicherweise erscheint die erste Single nach der „Studentinnenfrühstück“-Scheibe noch in diesem Jahr, Garantien gibt es aber keine. Qualität hat oberste Priorität, ich will mir ja im Spiegel noch in die Augen schauen können.

VRR: Vorerst sind wir durch mit den Fragen. Aber eine hab ich noch. Vielleicht blick ich es auch nicht. Warum sagst Du Danke an Lena Meyer-Landruth bei “Studentinnenfrühstück”?

BB: Das darf ich nun wirklich nicht verraten, sonst krieg ich Haue von Mark.

VRR: Hast Du noch ein paar Worte an unsere Leser, die Du unbedingt loswerden möchtest? Bitte, dann schieß los. Danke

BB: Hört weniger Frei.Wild, noch weniger Rammstein und mehr Blonder Bengel. Nennt eure Kinder wieder Phil. Trinkt weniger Fanta und mehr Becks. Kauft und hört meine Musik. Oder klaut sie, mir auch egal. Danke fürs Interview.

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